Aufstieg der
Masterbatch-Branche
Die Masterbatch-Industrie ist jung. Erst in den späten 1960er Jahren zeichnete sich ab, was heute Alltag ist: Kunststoffprodukte in einer schier unendlich wirkenden farbigen Vielfalt. Schon ein halbes Jahrhundert vorher kontrollierte ein „Master“ in der Reifenfertigung die Kautschuk-Schwefel-Ruß-Mischung, also den „Master-Batch“. Ein Begriff, der heute für kundenspezifische Farb- und Additivkonzentrate steht.
Es waren großartige Erfindungen, die in den späten 1960ern und Anfang der 1970er gemacht wurden. Techniken entstanden, die heute aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken sind, die wir täglich nutzen und als selbstverständlich empfinden, ebenso selbstverständlich, wie die bunte Vielfalt um uns herum. Allein auf dem Schreibtisch: eine Unterlage in sachlich-honorigem Dunkel-Graublau, Stehsammler für Zeitschriften in royalem Königsblau, ein Stifteköcher in schlichtem Mausgrau. Dazu allerlei Technik: etwa der Laptop in Matt-Metallic-Silber, der schwarz umrandete Bildschirm, die Designer- Schreibtischlampe – halb weiß, halb mattes Silbergrau, das tiefschwarze Diktafon und das Telefon in Elefantengrau.
Selbst wenn hier Sachlichkeit vorherrscht, die mit der Farbigkeit im Kinderzimmer keineswegs mithalten kann – die diversen Kunststoffartikel am Arbeitsplatz zeigen, was Masterbatch-Hersteller heute leisten. Für fast jedes Produkt aus thermoplastischem Kunststoff können sie den hochkonzentrierten individuellen Farbcocktail liefern, aufs Feinste gemischt mit dem Basiskunststoff sowie weiteren Additiven, etwa für den Lichtschutz oder die Wetterfestigkeit. So stimmen die Hersteller jedes ihrer Produkte farblich exakt ab und versehen es zudem mit den gewünschten Eigenschaften.
Farbliche Nuancen statt Einheitsbunt
1960 sah das anders aus: Kunststoffprodukte waren damals schon beliebt. Doch die Farbigkeit hatte ihre Grenzen. Die Grundfarben herrschten vor: Weiß, Schwarz, Grau, Einheitsblau, -grün, -gelb und -rot.
Außergewöhnliche Farben waren selten. Anfang der 70er begann sich das zu ändern, zunächst schleichend. Das knallorange Telefon in den 1970ern erschien bereits revolutionär. Türkis-glitzernde Kunststoffkoffer, pastelliges Kleinkinderspielzeug, marmoriert wirkende Küchenutensilien: Das alles sind Erfindungen der 70er, 80er und 90er Jahre. Ohne die Masterbatch-Industrie gäbe es sie wohl nicht. Die Welt wäre um einiges trister. Masterbatches färben thermoplastische, also schmelzbare Kunststoffe durch – und da sie von den Herstellern aus einem breiten Rohstoffportfolio komponiert werden, ist die Vielfalt beinahe unendlich. Masterbatches steigern die Wertigkeit von Kunststoffprodukten und tragen so zu ihrem wirtschaftlichen Erfolg bei – aus billigem Plastik wurde „salonfähiger Kunststoff“ mit toller Optik und Haptik.
Ehrgeizig müssen schon die Pneu-Hersteller der vorletzten Jahrhundertwende gewesen sein. Sie merkten: Nur, wenn sie in der Kautschukmischung Additive und Pigmente, nämlich Schwefel, Zinkoxid, Kreide und später auch Ruß, homogen verteilten, erhielten sie ein gutes Ergebnis. Die schwer dispergierbaren Bestandteile wurden daher erst einmal gut miteinander vermischt, bevor sie dem Kautschuk zugefügt wurden. Jedes Batch an Kautschuk plus vordispergierten Pigmenten – so wird kolportiert – war zunächst vom „Master“ zu kontrollieren. Nach dem Erhitzen wäre schließlich nichts mehr zu retten gewesen, falls die Mischung unzureichend gewesen wäre. Der „Master-Batch“ aber garantierte gute Ergebnisse und einen haltbaren Reifen.
Gut 50 Jahre später sollte der Begriff für die Zumischungen der neumodischen thermoplastischen Kunststoffe ein ebensolches Qualitätsprädikat darstellen. Daran war wohl die Verarbeitungstechnik schuld. Denn zum intensiven Durchkneten ihrer Kautschukmischungen nutzten die Reifenhersteller ab den 1920er Jahren den sogenannten Banbury-Mischer, konstruiert vom Ingenieur Fernley H. Banbury. Der diskontinuierliche Kneter brachte hohe Scherkräfte in die hochviskose Masse ein und verteilte die Reaktionskomponenten im Masterbatch optimal.
Die perfekte Verteilung in einem Masterbatch war auch für die Hersteller von Kunststoffprodukten wichtig. In den 1950er Jahren begann der Siegeszug von „Plastik“ beziehungsweise „Plaste“. Die Thermoplaste, insbesondere Polyolefine (z. B. Polyethylen PE, Polypropylen PP), Styrol-Kunststoffe (z. B. Polystyrol PS und Copolymere wie ABS) und Polyamid (PA) waren für diverse Branchen – von der Spielwarenindustrie bis zum Automobilbauer – höchst interessante Werkstoffe. Sie ließen sich durch Extrusion und Spritzgießen verarbeiten. Nicht zuletzt war es die farbige Vielfalt, die sie eröffneten. Thermoplaste ließen sich durchfärben, indem man sie zusammen mit Farbmitteln schmolz und wieder verfestigte.
Von Masterbatches war aber erst einmal nicht die Rede. Das pulverförmige Basispolymer wurde mit den ebenfalls pulverförmigen Pigmenten und Additiven gemischt und compoundiert (to compound = zusammensetzen), also beim Fördern durch einen Extruder aufgeschmolzen, dispergiert und gemischt. So produzierte die Polymerindustrie große Chargen in Standardfarben. Sonderwünsche wurden erst bei Erreichen einer bestimmten Auftragsgröße erfüllt. Verarbeiter, die kleinere Mengen einer außergewöhnlichen Farbe wollten, mussten die Farbpulver dem Kunststoff selbst zumischen – eine staubig-bunte Angelegenheit, die oft nicht zum gewünschten Ergebnis führte.
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